Die Kompression beim Mastering

Wofür wird die Kompression benötigt?

Wie es der Name des Kapitels schon sagt, wird das Audiomaterial komprimiert – zusammengedrückt. Aber woran genau drücken wir da herum??

Es ist die Dynamik. Das Wechselspiel zwischen den leisen und lauten Tönen innerhalb einer Aufnahme. Wer Klassik hört, der kennt das; außer einem zarten, flehenden Oboensolo – Stille. Im gesamten Orchestergraben. Nur einen viertel Takt später erzittert das Gebäude unter dem tobenden Crescendo des anwesenden Klangkörpers. Dieses Paket aus extrem dezent und brachial laut und klanggewaltig muss irgendwie durch die heimischen Lautsprechermembranen. Ein leises Flüstern soll ebenso wie eine Explosion hörbar sein, ohne dass dabei am Volume-Regler der Anlage nachgeregelt wird. In der Natur sind beide Schall-Events in gleicher Entfernung vom Hörer entweder unerträglich laut oder kaum wahrnehmbar. Mit Hilfe der Technik jedoch werden beide Signale derart umgeformt, dass sie beide gut hör- und ertragbar über jede Art von Verstärker wiedergegeben werden können. Gleich, ob Bühnen-PA oder Küchenradio.

Der Dynamik-Enthusiast würde den Begriff Kompressor in Hinsicht auf Klassik und andere handgemachte Musik am liebsten aus dem Vokabular streichen, da er Musik isoliert, konzentriert und meist abgeschirmt vom geräuschvollen Alltag aktiv genießt. Anders die Mehrzahl der Radio- und TV-Nutzer, welche Motivation am Arbeitsplatz durch Rhythmus und Melodie ’nebenbei‘ erfahren, während Abwasch und Staubsaugen berieselt werden wollen oder einfach beim Essen die Glotze laufen lassen. Über Sinn und Unsinn von schlechten Angewohnheiten kann man sicher streiten. Nicht aber, dass das Fehlen eines konkurrenzfähig lauten Signales aus den Boxen, welches Maschinenlärm, Unterhaltungen im Familienkreis und andere alltägliche Geräuschkulissen durchdringen können muss, in unserer Zeit sehr schnell auf heftigen Protest stoßen würde.

Also wird jedes ursprünglich an Dynamik reiche Signal, welches einmal auf ’normalen‘ Verstärkern und Media-Technik wiedergegeben werden soll, auf eine durchschnittliche Lautheit gestaucht. Dies trifft für alle Genres zu; Pop, Rock, Tech, Klassik. Der Unterschied ist hauptsächlich im Maß der Kompression zu finden. Während in Bereichen wie Pop eine möglichst durchgehende, annähernd gleichbleibende Lautheit gewünscht ist, dient die Kompression im besten Fall in der Klassik dazu, einfach alles unterbringen zu können, was an leisen und lauten Pegeln vorhanden ist.

Der tatsächlich übertragbare Dynamikbereich in der Technik ist um einiges geringer (CD = 96dB / SACD = 120dB), als die Natur uns bereithält (theor. Wert für verzerrungsfreie Schallübertragung in irdischer Atmosphäre ca. 194dB – ein Jet erzeugt in 30m Abstand stattliche 150dB!). Dementsprechend vorsichtig wird im letztgenannten Genre verfahren. Unser Gehör ist in der Lage ca. 130dB Dynamikumfang zu registrieren. Welche Reserven zwischen dem O(h)rgan und einer normalen CD liegen, ist somit beachtlich. Beim Mastern ist nun in den meisten Fällen die CD das Ziel. Ergo, die 96dB sollten auch so effektiv wie möglich ausgenutzt werden. Ein wichtiges Werkzeug stellt dabei der Multiband-Kompressor dar. Entsprechend der Verteilung der Energie im Spektrum der Aufnahme werden in diesem Signalprozessor üblicherweise 3-5 Abschnitte verwendet. Diese gestatten, die Dynamik des eingehenden Signalgemisches innerhalb verschiedener Frequenzbereiche separat zu beeinflussen. Damit kann besser ‚glättend‘ auf die Feinstruktur des Klanggemisches (Mikrotime Events – kurzzeitige Pegelschwankungen) eingewirkt werden; die durchschnittliche Lautheit wird ‚unauffällig‘ angehoben.

Da wir als ‚WAVES-Fetischisten‘ gern mit C4 und dem LinMB hantieren, der Hinweis an dieser Stelle, diese Geräte arbeiten mit einigen zusätzlichen bzw. anderen Parametern, als der traditionelle Kompressor. So gibt es statt des Parameters Ratio, welcher das Kompressionsverhältnis angibt, hier den Parameter Range, welcher zusammen mit dem Wert Threshold gewissermaßen Ratio ersetzt. Dies verschafft einerseits Flexibilität im Einsatz der WAVES-Multibands z.B. zusätzlich als Expander, Rauschsperre etc. Man muss dort aber ein wenig Hals-über-Kopf denken, was einiges an Übung und anfangs gute Nerven erfordert. Das Erläutern der einzelnen Einstellungen, Wirkungen und Gründe würde selbst mit wenigen Beispielen in Buchform enden. Daher wird hier der Einfachheit halber am klassischen Kompressor-Modell erklärt.

Ein gut überschaubares, griffiges und vor allem als Freeware erhältliches Plugin für den Einstieg und mit soliden Ergebnissen ist der GMulti aus dem Hause GVST, England. Zum Download geht’s auf gvst.co.uk

Der Freeware Multiband-Kompressor GMulti von GVST

Wir verwenden als Arbeits-Beispiel folgende Aufnahme. Ein ‚roher‘ Mixdown aus dem Genre Trance.

Dieser Mixdown wurde nachträglich bereits spektral korrigiert, Störfrequenzen wurden entfernt, die Summe ist unkomprimiert und lag uns so vor, wie der Musiker sie hinter dem Masterkanal OHNE jegliche VSTs gerendert hat. Das Gemisch enthält eine ausgewogene Menge an durchgehenden und impulsförmigen Signalanteilen. Der durchschnittliche RMS liegt bei ca. -17dB, Peaks erreichen maximal ca. -2dB und ein DR14 wurde für diese kurze Beispieldatei im Offline-Mode mit dem Dynamic-Range-Meter ermittelt. Diese Hörprobe soll nun möglichst ohne Verzerrungen eine höhere durchschnittliche Lautheit erhalten, kurzzeitige, sehr hohe Pegelspitzen sollen unhörbar reduziert werden, Transienten weitestgehend erhalten bleiben, die Dynamik nicht unter 10dB fallen.

Da es sich zwar nur um ein mittelkräftiges Signal, aber mit vielen Spitzen bis ca. -2dB handelt, sollte Gain für diesen Arbeitsschritt nur moderat angehoben werden, um eingangsseitig hörbare Verzerrungen von vornherein auszuschließen. Zum Ermitteln des ungefähren Arbeitspunktes des jeweiligen Kompressorbandes werden die Parameter Attack auf 0s, Release auf Maximum, Ratio auf 10:1 gestellt. Threshold wird langsam heruntergeregelt, bis ein deutliches Begrenzen des Signals zu hören ist. Beim GMulti unterstützt die Grafik zusätzlich mit waagerechten Linien die Darstellung des Arbeitspunktes. Man kann hier sehr gut sehen, welcher Signalteil bearbeitet wird und welcher unangetastet bleibt. Hier der Mittenkanal – nur das Material mit Pegel kleiner -32dB wird ohne Kompression zum Ausgang weitergeleitet.

Einstellen des Arbeitspunktes des Mittenbandes mit Threshold

Mittels des Schiebereglers im Grafikfenster lässt sich die Anzeige in der y-Achse zur besseren Sichtbarkeit vergrößern. Wie weit man Threshold herunterregelt, also, ob man stark in das kontinuierliche Musikmaterial eingreift oder ob man nur die Spitzen kappt,  hängt von der Art der Musik und dem Band ab, in dem man sich gerade befindet. Je nachdem kann ein zu kräftiger Eingriff später hörbar werden; vor allem durch einen zu platten Klang (geringe Dynamik) oder Unruhe durch ungünstige Attack/Release-Zeiten. Mit Ratio stellt man nun ein, in welchem Verhältnis zum Original der Anteil des Signals, welcher oberhalb -32dB liegt,  geteilt wird. Beträgt beispielsweise ein Peak vor dem Kompressor 6dB, so verlässt dieser das Plugin bei einer Ratio von 2,1:1, mit 2,85 dB. Im Grafikfenster wird diese Verminderung durch die dunkleren Spitzen im Audiosignal sichtbar.

Teilen des Signalpegels oberhalb des Arbeitspunktes entsprechend der voreingestellten Ratio

Damit der Sound ‚knackig‘ bleibt, müssen nun die Transienten ihrerseits eine Chance bekommen, den Kompressor (schonend gedämpft) zu passieren. Dies, indem der zeitliche Einsatz der Pegelreduktion durch Attack leicht verzögert wird. Somit erhalten kurze Impulse, deren Lebensdauer innerhalb der eingestellten Zeitspanne liegen, ‚freie Durchfahrt‘. Auch hier ist neben Messzeugen vor allem das Ohr gefragt; beginnt der Klang perkussiver Instrumente im Anschlag leicht dumpf zu werden, sollte Attack einen größeren Wert zugewiesen bekommen. Für den Mittelbereich wählen wir hier 4,5ms – dies ist lang genug, um einen Teil der im Material enthaltenen Transienten dieses Bandes hörbar durchzulassen, aber noch kurz genug, um breitere Spitzen abzufangen, welche dann entsprechend komprimiert werden.

Fällt das Eingangssignal unter den Wert für Threshold, so vergeht noch eine gewisse Zeit, bis der Kompressor die Reduktion des Signals von der eingestellten Ratio bis zu einem Verhältnis von 1:1 zurückstellt. Die geschieht in der Abschaltzeit,  bezeichnet als Release. Vermindert man nun diesen Wert, wird aus dem wabernden Signal (Pumpen), allmählich ein glatterer Verlauf. Je nach Pegel des Eingangssignals kann es aber auch in Verzerrungen umschlagen. Das ausgewogene Mittel zwischen diesen beiden Extremen gilt es wieder nach Gehör zu finden. Unbedingt sollte man dies auch abwechselnd im Zusammenspiel mit den restlichen Bändern tun. Unsere Einstellung: 300ms.

Um einen A/B Vergleich zwischen komprimiertem und Originalsignal durchführen zu können, bietet sich der Regler MIX rechts oben an. Hier wird man feststellen, dass das Signal nach der Bearbeitung grundsätzlich zwar dichter, aber leiser ist. Diesen Pegelverlust kann man mit dem Regler LEVEL, rechts neben dem Grafikdisplay, ausgleichen (unser ausgleichender Wert: 12,4dB). Eine höhere durchschnittliche Lautheit lässt sich nun eindeutig wahrnehmen und messtechnisch nachweisen – bei gleichem Pegel ist die Dynamik geringer geworden. Ist ein Band korrekt eingestellt, geht man nach sämtlichen, oben erläuterten Schritten mit den restlichen Frequenzabschnitten vor. Klanglich sollte sich das Gemisch nicht auffallend vom Original unterscheiden, lediglich in der Lautheit und dem entsprechend geringeren Dynamikumfang. Sehr hilfreich sind dabei die mit M bezeichneten Schalter auf der linken Seite. Hier kann man die Bänder separat ab- und zuschalten. Normalerweise gibt es bei den meisten Multiband-Signalprozessoren neben Mute auch noch Solo. Damit lässt sich das Abhören noch flexibler gestalten (siehe LinMB).

Hier der Überblick über die finalen Einstellungen für eine vorerst kräftige, aber dennoch akzeptable Dynamik-Reduzierung.

finale Parameter am GMulti

die in der Lautheit angehobene Aufnahme

Anschließend sollten eventuelle Peaks, die aus den vorangegangenen Arbeitsschritten resultieren, mittels eines Limiters begrenzt werden. Dies in Abhängigkeit davon, ob es sich um den letzten Schritt in der Mastering-Kette handelt. Ein praxisnaher Orientierungswert ist -0,3dB. Im Normalfall sollten dadurch keine hörbaren Veränderungen eintreten. Es empfiehlt sich hier ein Brickwall-Limiter.

Mastering-Ziel also erreicht?

Der durchschnittliche RMS für diese Aufnahme liegt bei ca. -9,6dB, das Meter für den Dynamic Range bescheinigt offline einen DR10.

Sicherlich kann man die Kompression noch weiter treiben, aber spätestens, wenn obertonhaltige Klänge wie Streicher oder brilliante Vocals dazukommen, klingt dies bei niedrigerem Dynamikumfang nach ‚Radiomucke‘. Das Material ‚brüllt‘, Transienten verschwinden (mal auf die Basedrum achten – statt ‚Click‘ macht’s ein hölzernes ‚Plop‘), die natürlichen Pegelsenken fehlen. In dieser Art  sollte eine Aufnahme dann nicht unbedingt auf einer CD landen:

 

Die gleiche Aufnahme mit DR6 – heute nicht selten für Trance & Tech-Releases:

Verdammt laut….