Selber Mastern?

Bevor wir zum technischen Teil des Masterns kommen, möchten wir auf etwas eingehen, das immer irgendwann im Fahrtwind einer Musikproduktion auftaucht. Die Frage:

Mastern  lassen oder selber mastern?

Es hat sich in der Praxis erwiesen, dass das Mastern nicht unbedingt auch vom Produzenten selbst durchgeführt werden sollte. Ob, hängt einerseits davon ab, welche Qualifikationen bringt eine Person mit, welche technischen Einrichtungen stehen zur Verfügung und in welchem Gebiet ist man sattelfest. Da der Produzent den Großteil seiner (All-)Tageszeit in musikalische und musikbezogene technische Realisation investiert, kennt er sich in diesem Bereich verständlicherweise besser aus und ist dort routinierter (Zeiteffizienz!), als im Mastering. Dieses beinhaltet seinerseits ebenso viele Facetten, in denen man entweder erfolgreich sein kann oder durch die man eine Produktion komplett in den Sand setzt. Warum sollte man also erwarten, daß ein Profi im Mastern die neuesten Plugins oder DAWs auf dem Markt kennen muß, geschweige, diese flüssig beherrscht? Brot kauft man schließlich auch beim Bäcker und erwartet nicht, daß der Schreibwarenladen um die Ecke kompetent in Sonntagsbrötchen ist.

Desweiteren bringt der Mastering-Ingenieur, wenn er nicht selbst in die Produktion involviert ist, von Beginn an eine gewisse Distanz mit, die man als Produzent nach Tagen oder Wochen am selben Projekt schon mal verliert. Ein Satz frische Ohren ist Gold wert. Grund ist, dass man sich nach einer Weile am selben Audiomaterial an klangliche Fehler gewöhnt, die nicht immer offensichtlich sind. Vor allem, wenn man sich vornehmlich auf musikalische Themen konzentriert – ein Titel muss schließlich erst einmal ‚wachsen‘: Man setzt einen Streicher ein, nur als temporären Dummy, macht an den Drums weiter und nach 4 mal 8 Stunden intensiver Musikproduktion und Kampf mit den Maschinen stört man sich nicht mehr an ‚Kleinigkeiten‘, wie der zu niedrigen Abtastrate des ROM-Players im Synthie oder am klickenden Loop auf  C – das gehört (für das Unterbewusstsein) inzwischen schon ‚irgendwie‘ dazu…

Ein trainiertes und objektives Ohr hört diese versteckten Fallen! Unter solchen Umständen geht der Status von Mastering vorübergehend auf Mixing oder Produktion zurück, das Werk erfährt dadurch aber die nötige qualitative Aufwertung.

Weiterhin spielen die Räumlichkeiten eine extrem wichtige Rolle. Wo bei der Produktion der Bass noch ‚phät‘ klang, weil die Monitore vielleicht gerade eine ‚günstige‘ stehende Welle auf ihrer Seite hatten, kann beim Mastern im optimierten Abhörraum herauskommen, dass der Mix zu wenig von bestimmten spektralen Anteilen enthält. Im professionellen Bereich ist dies sicher seltener und nicht in dem Maße der Fall, da Produktion, Mixing und Mastering immer in gut optimierten Studios erarbeitet werden.

 

Homerecording dagegen findet meist zwangsläufig in selbstgedämmten Kellern, Garagen, Kinderzimmern und anderen dafür recht ungeeigneten Wohnräumen statt. Man kann sich hier zwar in eine gute Richtung vorarbeiten, wenn es um Anbringung von Dämmstoffen und Diffusoren aller Art geht. Aber was tun, wenn man hellhörige Nachbarn hat?

Mixing und Mastering ohne entsprechende Lautstärke funktioniert einfach nicht.

Als Alternative verwendet man also gezwungenermaßen Kopfhörer. Diese können, selbst wenn es teure Studio-Modelle sind, nur für bestimmte Aufgaben ausreichend sein. Ohne ab- und zuschaltbare Monitorsysteme hat man nur einen begrenzten Zugang zum eigentlichen Klang und vor allem Raum der Produktion. Andererseits ist es ebenso falsch, nie Kopfhörer zu verwenden – aber dazu an späterer Stelle mehr.

All das Vorangegangene beantwortet die Frage nach dem Selber Mastern? nicht mit einem eindeutigen Ja oder Nein. Natürlich nicht; es ist eine gedankliche Hilfestellung und führt lediglich die entscheidenden Gründe an, welche Für und Wider bedeuten können. Geht man von einer professionellen Produktion mit kommerziellem Hintergrund und ausreichend finanziellen Mitteln aus, wird sich die Frage nach separatem Mastering nicht stellen – dort geht man auf Nummer sicher. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, bei denen Komposition, Arrangement, Produktion, Mixing, Mastering und den dazu unbedingt nötigen Kaffee zu kochen in Personalunion geschieht. Diese kennt man dann unter solchen Bezeichungen wie Großverdiener, Top-Profis, Superstars – womit bei letzterem Begriff sicher nicht die armen TV-Casting-Opfer gemeint sind…

Für den Homerecordler und Semi-Profi gilt es zu entscheiden, was beherrscht man tatsächlich selbst, welche Serviceleitungen lässt das Bankkonto zu, was ist das Ziel der Produktion – ein Demo, eine Tonträger-Kleinstauflage, ein kommerzielles Produkt mit Tragweite? Je nachdem sollte man klug entscheiden und keine Kompromisse eingehen. Eine Produktion, die man unter Kopfhörern im Wohzimmerstudio selber ‚gemastert‚ hat und welche von objektiven Hörern mehr kritisiert als gelobt wird, ist zu oft ein solcher Kompromiss gewesen – sollte demzufolge unbedingt revidiert und als zwar ärgerliche, aber nützliche Erfahrung auf dem Weg zur Erkenntnis abgelegt werden.