Das ’scharfe‘ S

Der Einsatz des DeEssers von WAVES

Hören wir mal, wie es nicht klingen sollte:

Eine Aufnahme mit ’scharfem‘ S

 

Ein typisches Problem bei Gesangs- und Sprachaufnahmen ist, dass der Pegel der meisten Konsonanten und Vocale recht gut ausbalanciert ist – und dann huscht ein ’sch‘, ‚z‘, oder ’sss‘ ein paar Millisekunden lang ins Mikro, auf dass das VU-Meter heftig aus seinem Trott gerissen werde. Normalerweise kein Drama, die Vocals sind ja noch nicht im Mix. Was aber, wenn dieser bereits fertig ist und einige dieser ’sch‘ oder ’sss‘ immernoch ziemlich sch…….arf klingen?

Genau wie beim Vocal-Solosignal kann hier der DeEsser (oder De-Esser) in das Material eingreifen. Im Gegensatz zur separaten Vocalspur empfiehlt es sich hier jedoch, nur dann das Processing zu aktivieren, wenn der ‚Störfall‘ auch tatsächlich eintritt.

automatisierter Parameter Threshold im DeEsser

Viel zu leicht könnte man sich durch den permanenten Einsatz des Plugins Klänge ‚verschlimmbessern‘. Wir verwenden für unser Beispiel wieder ein Modul von WAVES, den DeEsser.

eine Einstellung gegen schmalbandige, zu spitze S-Laute

Mit dem Regler Threshold wird wie üblich der Wert festgelegt, bei dem der DeEsser zu wirken beginnt: Über einen integrierten Filter wird dem zugeführten Audiosignal ein Anteil (Höhenband) entnommen und ausgewertet. Je nachdem, wie hoch dieser Anteil ist, wird das Klangmaterial nun entweder bedämpft oder komplett ohne Veränderung durchgeschleust. Mit der Einstellung Split wird festgelegt, dass die Dämpfung nur oberhalb der in der unten sichtbaren Filtersektion eingestellten Frequenz wirkt. Die Wahl von Wideband dagegen erfasst den gesamten Frequenzbereich. Natürlich wirkt sich der Tiefpass dennoch – entsprechend seiner Natur – nur auf das höhere Mitten- und Höhenband hörbar aus. Mit der eben angesprochenen Frequenz ‚zielt‘ man also gewissermaßen auf die ungefähre Lage des Zischlautes im Band und ermöglicht so, dass der aus dem Filter extrahierte (Steuer-)Pegel so hoch wie möglich ist. Dadurch wird vermieden, dass der DeEsser auch durch entferntere, nicht relevante Frequenzen ausgelöst wird. Schließlich sollen die wesentlich leiseren, aber ebenfalls obertonhaltigen Streicher hinter den Vocals nicht auch gedämpft werden. Die Charakteristik des Filters lässt sich von Band- auf Hochpass umschalten. Hierdurch wird festgelegt, ob das steuernde (Chain-)Signal nur aus erhöhten Werten um den Frequenzgang des Zischlautes oder auch aus Signalen oberhalb dessen generiert werden darf. Bei der Wahl Band-Pass geschieht das aus dem nahe eingegrenzten Bereich, bei Hi-Pass aus allen oberhalb liegenden ‚Spitzen‘ dessen.

Wenn man die Frequenz des Zischlautes nicht genau kennt, so hat der DeEsser eine nützliche Hilfsfunktion; wird der Monitor von Audio auf Side chain umgeschaltet, kann man wunderbar den Filter im Betrieb Band-Pass ‚durchstimmen‘, bis man das ’sss‘ als am lautesten empfindet bzw. dieses auf der Pegelanzeige den höchsten Wert während des Suchvorganges einnimmt (Speicherfunktion des Peakwertes zuschalten).

Zur Anwendung kommen in unserem Beispiel die Einstellungen: Split, Freq=8200Hz, Threshold= -30dB (automatisiert), Band-Pass.

Der Mixdown mit dem noch zu scharfen S:

Hier die entschärfte Version:

Wer gern noch detaillierter in das Verhalten des DeEssers eingreifen möchte, dem sei der RDeEsser – ebenfalls von WAVES – empfohlen. Die selbe Vorgehensweise, die selben Bedienelemente. Nur, dass zusätzlich der Parameter Range eingestellt werden kann. Im Gegensatz zum oben genannten DeEsser, bei welchem lediglich der Auslösepunkt mit Threshold festgelegt wird, hat man beim RDeEsser die Möglichkeit, die Tiefe der Beeinflussung der Zischlaut-Dämpfung zu wählen. Dies geschieht nach dem Einstellen von Threshold wieder nach Gehör, indem Range von 0 langsam nach unten geregelt wird. Im nebenstehenden Display ist die Wirkung grafisch wieder nachvollziehbar und wird in Echtzeit dargestellt.

die Stärke der Dämpfung ist hier über Range separat einstellbar

Durch das Bereitstellen lediglich eines einzelnen zusätzlichen Parameters, kann das Ergebnis des DeEssing-Vorgangs hörbar verbessert werden. Man sollte also vor bzw. während des Einsatzes solcher VSTs überlegen, wie hochwertig das Ergebnis werden soll. In Anbetracht der unzähligen Ausführungen spezifischer Klangformer wie Gate, Kompressor oder eben DeEsser entscheidet sich die Auswahl des richtigen Plugins vor allem dadurch, ob es um Mastering, Mix oder eine Mikro-Aufnahme ‚mal schnell nebenbei‘ geht. Der Qualitätsanspruch an die finale Aufnahme rechtfertig in jedem Fall den kleinen Mehraufwand, weitere Parameter als nur die Basics einzubeziehen.

 

Wichtig: In jedem Fall sollte man sich nach dem dauerhaften, lauten und analytischen Hören von Audiomaterial mit scharfen Klängen beim DeEssing erst wieder ’neutralisieren‘; entweder mit leisem Hören z.B. von ein paar Minuten Klassik, Chillout oder ähnlichem. Sonst tritt der unschöne Effekt ein, dass das ‚entschärfte‘ Material bei der anschließenden Beurteilung subjektiv dumpf klingt. Tut es natürlich auch – aber nur im Vergleich mit dem vorherigen Mix. Neben dem Sichten auf dem Analyzer sollte man mit dem Gehör nun ein neutraleres, aber dennoch lebendiges, obertonreiches Klangbild wahrnehmen, ohne schmerzhaftes ‚Zischeln‘ im Ohr, wenn der Pegel der Aufnahme zu Testzwecken mal kräftig angehoben wird.