Pegel und Dynamik

Zur Bedeutung dieser Begriffe im Mastering-Prozess

Es gibt eine Vielzahl von Plugins, die im ersten Moment das ideale ‚Helferlein‘ zu sein scheinen: zwei oder gar ein einziger Regler und der Mix ist plötzlich laut und schön ‚radiofähig‘. Kein langes Anleitungenlesen, kein Herumprobieren mit vielen Fadern, nicht einmal Presets sind nötig. Einfach Aufdrehen – fertig.

Wer solche One-Button-Wizards einsetzt, muss damit rechnen, dass der Mix zwar schnell an Pegel zugelegt hat, aber dass die Dynamik oder einfach ausgedrückt,  der maximale Abstand zwischen leisesten und lautesten Signalen innerhalb einer Aufnahme schnell unnatürlich vermindert wurde. Dies, ohne das Pegelverhältnis der einzelnen Bänder untereinander zu optimieren. Und das ist nur einer von mehreren wichtigen Punkten, mit denen man rechnen sollte; hörbare, ungewollte Verzerrungen, die sich über die gesamte Aufnahme verteilen, Anhebung von Nutz- und Störsignal im gleichen Maß, ‚Pump‘-Vorgänge, Verlust von Transienten etc.

Je nachdem, wie komplex oder eher einfach der Algorithmus des Plugins ist, wird der eine oder andere Parameter der finalen Lautstärke geopfert. Alles lässt sich einfach nicht zuverlässig unterbringen, in jedem Fall müssen Abstriche in der Qualität gemacht werden. Für Live-Events, Beschallung, Proben etc. sind derartige Plugins ideal. Geradezu genial (weil sie ‚griffig‘ sind) – es sei denn, es soll aufgezeichnet und später in hoher Qualität weiterverarbeitet werden.

Somit ist klar, jeder Pegelzuwachs sollte immer die Ästhetik des Klanges, das gesamte Spektrum der Aufnahme, technisch sinnvolle Minimal- und anwendungsbezogene Maximalpegel berücksichtigen. Um dies wirklich unter Kontrolle zu haben, ist im Normalfall der Einsatz von mehreren spezialisierten Modulen wie EQs, Multiband-Kompressoren, Limitern und die ausreichende Kenntnis und Anwendung von Messmitteln wie VU-Meter (Pegelanzeige mit separater Darstellung der Werte für Peak und RMS), Goniometer/Korrelationsmesser, Analyzer/Spektralizer notwendig. Ein spezielles, sehr hilfreiches Werkzeug, welches noch nicht für jedermann im ‚lauten‘ Musikbereich ein Begriff ist, aber unbedingt sein sollte, wird unter anderem bezeichnet als DR-Meter. Dazu später mehr

Um die obenstehenden Punkte in Ton und Bild darzustellen, folgendes Beispiel. Eine Mixdown mit noch reichlich Headroom und vertretbarer Dynamik wird mittels eines Plugins, welches hauptsächlich mit 2 Reglern auskommt, auf einen finalen Pegel von -0,3dB gebracht. Dabei wird mit Threshold der Wert eingestellt, bei dem das VST ‚greift‘. Wir verwenden hier den L1 von WAVES.

Erhöhung der Lautheit mit wenigen Handgriffen – der L1

Als Ausgangssignal verwenden wir diesen Mixdown.

Der Mixdown mit noch reichlich Headroom.

 

Das mit L1 ‚gemasterte‘ Signal – so, wie es leider oft praktiziert wird.

Hörbeispiel 1; der selbe Mixdown on the fly mit L1 ‚lautgemastert‘

Ist laut – klingt aber einfach nicht mehr schön. Es ‚brüllt‘, Transienten fehlen, die Kick hat ihren prägnanten ‚Click‘ teilweise eingebüßt. Nun ist der L1 aber eigentlich ein recht gutes Werkzeug, dies sei unbedingt erwähnt. Es kommt lediglich darauf an, WIE man ihn einsetzt und wofür. Es lässt sich damit aus einer gut gemischten Aufnahme, die z.B. eine spektrale Korrektur erfahren hat, deren einzelne Bänder im richtigen Verhältnis angehoben/abgesenkt und deren Signalpositionen angepasst wurden, noch der letzte Sprung auf den ‚amtlichen‘ Pegel ausführen. Dies sollte in jedem Fall nur noch den kleinsten Teil der Pegelanpassung ausmachen; wir sprechen – unter der Voraussetzung eines professionell erstellten Mixdowns – von maximal 2-3 dB!

Im Vergleich – Lautheitsanpassung mittels (Freeware!) Kompressor und in Reihe geschaltetem Brickwall-Limiter. Der selbe Dynamic-Range, dennoch ‚knackiger‘, da hier per Attack und Release eingestellt werden kann, wie das Plugin die Transienten behandelt. Beim L1, welcher keine Kompromisse beim Durchlassen von Spitzen machen darf, klingt es daher flach und breiig. Beim GMulti bleibt die Lebendigkeit der Percussions erhalten.

Beispiel 2; der Kompressor lässt die Transienten innerhalb 15/6/3 ms  durch (siehe Einstellungen für Attack)…

…und verringert erst danach die Dynamik der Signale der 3 Bänder (voreingestellt im Verhältnis 1:5 & 1:4) – mit anschließender Anhebung ihrer jeweiligen Pegel. Um Übersteuerungen der verbleibenden kurzen Peaks am Ausgang zu vermeiden, wurde ein Brickwall-Limiter nachgeschaltet.

Im Vergleich zu Beispiel 1; hier passieren die impulsförmigen Signalanteile hörbar das Plugin.

Warum also überhaupt ein Plugin wie den L1 einsetzen, wenn man doch sowieso jedes Band separat in kleinen Schritten anheben kann, inklusiver Erhaltung der Transienten?

Wenn ein Mix mit sehr vielen sich teils gegenseitig beeinflussenden Modulen gemastert wurde und bei aller korrekten Abstimmerei der Aufwand für ein erneutes Anpassen zu aufwändig in Relation zur dafür benötigten Zeit wird, kann der Einsatz eines qualitativ hochwertigen ‚Maximizers‚ unter Umständen eine gute Alternative darstellen. Immer unter dem Aspekt, ob es nun tatsächlich rational ist, ein solches Plugin (an dieser Position in der Signalkette) zu verwenden oder ob nicht doch manchmal nur ein wenig Faulheit dahintersteckt… Eine Kombination aus Kompressor und Brickwall macht ein bisschen mehr Arbeit, klingt meist aber deutlich besser.

Beispiel 3, hier ist der Mix schon fast auf finalem Level, Dynamik und Pegel werden hier kräftig (Threshold 4,9dB), aber ‚genreüblich‘ (DR~6) angepasst.

Kann man machen…

Die etwas kräftigere Variante des ‚Lautermachens‘

Mit Werten von 0,3dB für den finalen Headroom und einer Threshold von 2,2dB kommt auch hier der L1 wieder zum Einsatz, aber etwas schonender (DR 7-9).

Kaum merkliche Verminderung der Dynamik.

Bei dieser Einstellung werden die Transienten kaum hörbar gekappt.

Das Ergebnis; nur ein kleiner Teil der Dynamik wurde (über alle Bänder gleichmäßig) verringert, der finale Pegel wurde erreicht, ohne dass auffällig wahrnehmbare Veränderungen im Klang durch Transienten-Beschnitt stattfanden. Verzerrungen, Pumpen o.ä. tritt nicht auf, die Lautheit des Signals ist annehmbar für das Genre, die Dynamik ist noch ‚lebendig‘.

Dennoch lassen sich bessere Ergebniss erreichen, wenn, statt einfachem ‚Lautmachen‘ mit Maximizern, die zeitlichen Parameter (Attack/Release) nicht nur vom Algorithmus des Plugins verwaltet werden. Der Mensch, der vor den Monitoren sitzt, kann diese der Situation und dem Zweck entsprechend in den meisten Fällen viel spezifischer einstellen, ergo das Ergebnis dadurch natürlicher & dynamischer klingen lassen. Das Erreichen eines möglichst hohen Pegels, welchem die technisch mögliche und genretypische Dynamik innewohnt, geschieht in der Regel maßgeblich vor Plugins wie Maximizern, Louderizern & Co. Es ist sicher eine Übungsfrage, eine Fleißaufgabe und nicht zuletzt dem persönlichen Geschmack unterworfen, ob eine Aufnahme nach dem Mastern maximal ‚knallt‘ oder ob man noch ‚Luft‘ zwischen leiseren und lauten Signalen im Mix lässt. Auch, wenn man vielleicht etwas dezenter im Vergleich zu anderen ‚amtlichen‘ Produktionen abschneidet.

Bevor man das im Detail entscheidet – immer mal eine Hörpause einlegen…

Egal, ob ein Titel auf Cubase, Ableton, Reaper, Logic, Samplitude, Fruity Loops aka FL-Studio, Pro Tools, Garageband, Cakewalk Sonar, Digital Performer, Nuendo, Reason, Renoise, Tracktion, Studio One abgemischt, produziert oder gemastert wird, die Ziele des Masterings und die grundsätzliche Vorgehensweise sind identisch.