Rauschen unerwünscht

Wie Rauschen eliminiert werden kann

Zu den ‚heimlichen‘ Verschmutzern des Audiomaterials gehört das Rauschen. Heimlich, da es oft erst beim Anpassen der Lautstärke eines aufgezeichneten Signals im finalen Mix (deutlicher) hörbar wird. Wenn die Aufnahme erst einmal ‚im Kasten‘ ist, steckt der besagte Anteil Rauschen bereits drin. Heutige Technologien bieten Möglichkeiten, Rauschen im Material nicht nur zu dämpfen, sondern auch teilweise fast komplett zu entfernen. Leider hat dies in den meisten Fällen den unschönen Nebeneffekt, dass hörbar Anteile aus dem Klanggemisch verschwinden, die dort eigentlich hätten bleiben sollen. Dies liegt darin begründet, dass ein Algorithmus, welcher Rauschen eliminiert, nur eine mathematische Annäherung zur Extraktion darstellt. Rauschen ist seiner Natur nach ein physikalisches Ereignis mit zufälligen Parametern, daher schwer bis unmöglich innerhalb gesunder Parameter zu erfassen.

Das Tool X-Noise von WAVES bietet die Möglichkeit, das Audiosignal mittels eines solchen Rechenvorganges zu bereinigen. Dafür wird aus einer Stelle der Aufnahme – vorzugsweise Anfang oder Ende der Aufnahme – ein kurzer Abschnitt ohne Nutzsignal in das Plugin eingelesen. Dieses ‚lernt‘ gewissermaßen, wie das während der eigentlichen Aufnahme im Hintergrund vorhandene Rauschen spektral aussieht. Es vergleicht das durchgeschleifte Singal mit seiner ‚Rausch-Schablone‘ und vermindert den Pegel dessen. Das X-Noise ist ein leistungsstarkes Werkzeug, welches diesen Vorgang nicht einfach statisch durchführt, sondern welches eher wie ein typisches Werkzeug zur Bearbeitung der Dynamik vorgeht. Es bezieht Schwellwert, Reduktion und Hüllkurvenparameter in die Berechnung ein. Diese können natürlich wieder einzeln automatisiert werden.

Zum Entnehmen einer ‚Rauschprobe‘ geht man folgendermaßen vor. Ein ausreichend großer Abschnitt vor oder nach dem Nutzsignal, welcher nur das Hintergrundrauschen enthält, wird geloopt. Das Plugin sampelt, nachdem man die Taste Learn betätigt hat, das Rauschsignal. Danach kann man durch erneutes Drücken der Taste den Lernmodus verlassen und stellt mit den Buttons Low/Med/High entsprechend der verfügbaren CPU-Kapazitäten ein, wie hoch das Band des eingeschleiften Signals zum anschließenden Eliminieren des Rauschens aufgelöst werden soll.

Ab hier arbeitet das Plugin ähnlich einem Kompressor. Die weiße Linie stellt den spektralen Verlauf des Rauschens dar (Frequenz/Pegel). Alle Signale oberhalb dieser Linie werden vom Plugin ignoriert, das darunter liegende Material entrauscht. Mit dem Wert für Attack stellt man die Zeit ein, welche vom Erkennen eines auslösenden Rausch-Ereignisses bis zum höchsten Wert der Reduktion vergehen soll. Damit lässt sich ein weiches Überblenden vom Original in das modifizierte Signal realisieren. Release wirkt natürlich genau umgekehrt, hier wird der Zeitwert angegeben, welcher vergehen muss, bis der Wechsel von der Reduktion in das Originalsignal abgeschlossen ist. Hier hilft im Zweifelsfall am besten das gesunde Ohr weiter.

Der Parameter Threshold stellt praktisch den Pegel der ‚Rausch-Schablone‘ im Verhältnis zum eingeschleiften Signal dar. Fällt das Eingangssignal unter die weiße Linie, beginnt der Algorithmus zu wirken. Die Stärke, mit der dieser eingreift, wird bestimmt durch den Wert am Regler Reduction.

Im Feld des High Shelf-Filters kann man noch ins Detail gehen, wie X-Noise auf hohe Frequenzen anspricht. Mit Freq stellt man die Cutoff ein, ab der dieser Filter der ‚Rausch-Schablone‚ virtuell einen höheren Wert zurechnet. Mit Gain, wieviel die Pegelanhebung beträgt. Es wird also kein Filter auf das Original gerechnet, sondern nur intern ‚vorgetäuscht‘, dass das gesampelte Rauschprofil einen  stärkeren Pegelverlauf im Höhenbereich hat. Der Effekt ist, dass bei Anhebung von Gain auch der Wert für Threshold steigt, ergo, das Rauschen wird (in den Höhen) stärker gedämpft. Ein umgekehrter Wert hat natürlich dementsprechend eine Verminderung der Rauschreduktion zur Folge.

Den Anteil Rauschen, welcher aus dem Mix entfernt wurde (Aufnahme 3), kann man hören, indem man den Button Difference bedient. Ein wichtiges Hilfsmittel, welches das korrekte Einstellen der Parameter etwas vereinfacht.

X-Noise in Aktion, zur besseren Hörbarkeit um 10dB verstärkt

Aufnahme mit X-Noise, in normaler Lautstärke

das extrahierte Rauschsignal (inkl. Artefakte), 24dB verstärkt

Nun liegt es aber in der Natur der Sache, dass eine Annäherung immer auch nur eine solche bleibt. Daher muss man im Einzelfall genau entscheiden, ob ein Plugin teilweise in Eigenregie entscheiden darf, was zum gewollten Klang gehört und was selektiert wird. Wir haben für uns entschieden, dass die Verwendung von automatisierten Filtern besser in unsere Arbeitsweise passt und die Nebeneffekte geringer sind. Viel zu oft verschwindet neben dem Rauschen auch ein wichtiger Anteil der klanggebenden Formanten und Anteile der räumlichen Informationen – welche teils nur sehr niedrige Pegelwerte haben, um dem Ohr eine ausreichend gute Vorstellung von der Position eines Instruments zu liefern. Entfallen diese, wird der Mix nicht nur ’stumpf‘, sondern auch das Panorama teilweise ‚zusammengefaltet‘.

Nach unserer Erfahrung macht es nur in wenigen Fällen etwas aus, dass ein minimales Rauschen über der gesamten Aufnahme liegt, wenn der Durchschnittspegel für eine angemessene Überdeckung sorgt. Hier beschränkt sich die Korrektur lediglich auf Titelanfang und -ende.

   Einstellung zum Entfernen des Rauschens per Fade-In / Fade-Out

Kurze Hörprobe – hier geht jedes Rauschen unter 😉

Deshalb empfehlen wir, Plugins, die teilweise recht auffällig und selbst bei optimierter Einstellung ihre Spuren nicht nur auf dem richtigen Pfad hinterlassen, bloß dann zu nutzen, wenn es sich vom Arbeitsaufwand wirklich nicht lohnt ein Top-Master zu erstellen (analoges Demotape). Es ist in den meisten Fällen besser und flexibler, notwendige Korrekturen Band für Band mit dem EQ durchzuexerzieren, auch wenn dies erhöhten Aufwand bedeutet.

Bereiche, in denen das X-Noise einen guten Dienst leisten kann und wo man die Nebenwirkungen recht minimal spürt, sind z.B. Übergänge/Breaks in Titeln mit geringem Obertongehalt. Dort ist der Pegel teils noch kräftig, aber HiHats, Streicher und ähnlich scharfe Klänge haben gerade Pause. Man kann das dort noch ‚herumlungernde‘ Hintergrundrauschen gezielt und vor allem effektiv beseitigen. Ob man dies nicht auch mit einem EQ genauso gut könnte, sei dem Automations-Puristen überlassen.

X-Noise in Aktion im Break

Zur besseren Hörbarkeit der Wirkung wurde das Plugin ‚hart‘ zugeschaltet. Im Bearbeitungsprozess sieht die Kurve für die Automation natürlich anders aus.

Und so klingt ’s

korrekter Verlauf des Parameters Threshold – der Eingriff verläuft sanft

Das X-Noise wird in seiner Wirkung sanft ein/ausgeblendet, wenn das Nutzsignal keine spektralen Anteile von Instrumenten mehr enthält, die das Rauschen vorher überdecken konnten, bzw. sobald diese wieder einsetzen.

Zwischenspiel: Das andere Rauschen

Rauschen kennt man vornehmlich als das störende, höherfrequente, recht gleichmäßig zischelnde Quentchen ‚Dreck‘ auf einer Aufnahme. Es verteilt sich aber, je nach Art seines Entstehens, über das gesamte Spektrum. Es gibt ein paar interessante, teils auch sehr spekulative Ansätze, wie Farben verschiedenen Rauschen-Typen zugeordnet werden können.

https://myhome.spu.edu/bolding/ee3550/resources/Noise%20Types.htm

Dies ist letztendlich eine recht subjektive Angelegenheit. Da wir uns nicht mit physikalischen Glaubenskriegen herumärgern wollen, soll lediglich erwähnt werden, dass im Bereich der Akustik vornehmlich die Begriffe weißes und rosa Rauschen einen festen Stellenwert (mit mathematischem Hintergund) haben. Im Sektor der ‚kreativen‘ Klangerzeugung tauchen auch noch die (subjektiven und teils bizarren) Zuordnungen des blauen Rauschens (resonantes Rauschen), des braunen oder Rumpelrauschens (am unteren Ende des hörbaren Spektrums) sowie des Funkel-Rauschens (eher ein Gemisch aus weißem bzw. rosa Rauschen mit zartem, gleichmäßigen  Knistern) auf und noch weitere.

Frei nach diesem Hintergrund; hier ein paar Kreationen aus der eigenen Klangküche. Die Zuordnungen der Namen für die Rauschen-Typen sind absolut frei und willkürlich gewählt und haben daher keinerlei Anspruch auf wissenschaftlich-technische Relevanz (außer beim weißen/rosa Rauschen)! Sie sind zum Experimentieren und Produzieren gedacht, zum Austesten der Grenzwerte der Abhör-Monitore, der Kopfhörer und zum Testen der Stereo-Wiedergabefähigkeit des Soundsystems. Bei einigen Typen also unbedingt mal BEIM Hören von Stereo auf Mono umschalten und den Analyzer betrachten.

Blaues, braunes, weißes, rosa, grünes, schwarzes und Funkel-Rauschen.

Zurück zum unerwünschten Rauschen in der Aufnahme.

Am Beispiel möchten wir hier zeigen, wie man ein unerwünschtes, tieffrequentes Rauschen (Rumpelrauschen), das sich gelegentlich im Gemisch aus Synthie-Klängen (meist aus externen Hardware-Quellen) einschleicht, beseitigen kann. In vielen Fällen ist dieses Störsignal nicht besonders auffällig, geht während des größten Teils der Aufnahme hinter den Instrumenten unter und ist subjektiv auch weniger störend als das meist deutlicher wahrnehmbare, höherfrequente Hintergrundrauschen (thermisches Rauschen), welches vornehmlich durch sämtliche Verstärker- und Wandlerstufen in den Mix gebracht wird. Aber an Titelanfängen und -enden sowie in leisen Passagen kann es durchaus hörbar und vor allem störend werden.

Um dieses sichtbar zu machen, wird der unterste anzeigbare Pegelwert in der Anzeige des Analyzers SPAN auf -50 dB umgestellt. Man sieht nun gut den ‚Buckel‘, wo sich das Störsignal etabliert hat.

Titelanfang mit hörbarem ‚Rumpelrauschen‘

Da es sich um ein sehr tiefes Band handelt, setzt man zum Entfernen dieses Rauschens einen Hochpass (Low-Cut) ein. Dabei verwenden wir den Q3 von WAVES (es werden nur 1-2 Bänder benötigt), stellen den entsprechenden Filtertyp ein und fahren das Band von unten langsam hoch. Man kann sich an der optischen Anzeige orientieren, wie stark die Dämpfung bereits ist; man würde die Cutoff sonst sicher höher ansetzen als technisch notwendig. Eine Senkung des Pegels des Störsignales um die Hälfte ist meist schon ausreichend, um es unter die Wahrnehmungsschwelle zu befördern. Wenn es schmalbandig und stationär ist und man behindert durch einen ‚chirurgischen‘ Eingriff in das Audiomaterial garantiert kein Nutzsignal, lässt sich direkt über das Störsignal noch ein schmalbandiger, statischer Peakfilter mit negativer Gain setzen. Nach Möglichkeit sollte dies bei einer kräftigen, schmalbandigen Dämpfung auch wieder per Automatisierung erfolgen. Somit kann an anderer Stelle, wenn das tieffrequente Rauschen bereits wieder von Instrumenten ausreichend überdeckt wird, das Ausmaß der Verluste im Nutzsignal klein gehalten werden.

Hier ist der Pegel des niederfrequenten Störsignales für die Hörwahrnehmung jenseits von Gut und Böse und aus technischer Sicht nimmt es auch keinen nennenswerten Platz mehr weg. Vorher -15dB, nach Dämpfung -40dB.

Das einzige, was jetzt noch berauschen sollte, ist der gute Klang 😉

 Breathe – David Leckenby feat. Barbara J. Hunt

Album Integration – David Leckenby