Stereobasisbreite & Co

Verwendung des Mastering-Plugins Ozone als Imager

In der Akustik und in der Tontechnik ist das Thema ‚Stereo‘ eine Königsdisziplin. Wer sich über sämtliche theoretischen Hintergründe und Glaubenskriege um Mono, Pseudostereo, Stereo, Trinaural und Dolby informieren möchte, dem seien Wikipedia und spezifische Foren hiermit wärmstens empfohlen. Dort lassen sich graue Sonntage und ganze Wintermonate mit Lesestoff überbrücken. Wir wollen uns hier lieber mit dem praktischen Einsatz einiger einfacher Mittel beschäftigen, die einem Mixdown nachträglich zugute kommen können.

Je nach Erfahrung und Handhabbarkeit wird man sich für Hardware oder Software entscheiden, die dem Mix den besseren Raum ermöglicht, günstiger in den Kosten wiegt oder mit der man einfach zu arbeiten gewohnt ist. Um im Bereich der virtuellen Geräte zu bleiben und auch mal über die Grenzen des WAVES-Bundles zu schauen, kramen wir hier das ‚Schweizer Taschenmesser‘ aus dem Hause iZotope hervor, das Mastering-Plugin OZONE.

Neben Loudness Maximizer, Paragraphic EQ, Multiband Dynamics, Harmonic Exciter, Dithering und einem Mastering-Reverb verfügt diese Software über ein Modul für ausgiebiges Multiband Stereo Imaging. Was dieses Plugin so effektiv macht; dass Signale in einigen Modulen in Mitten- und Seitenband zerlegt werden können. So ist es möglich, recht flexibel an einzelne Teile des Mixes heranzukommen und diese zu bearbeiten. Möchte man z.B. die Basedrum etwas komprimieren, den breiten Bass aber breit lassen, so trennt man ‚Mono-Base‘ von ‚Stereo-Bass‘ ab, arbeitet mit separaten Signalen und führt beides später wieder zusammen.

M/S-Decoding – gleichartige und differierende Signale werden getrennt

Desöfteren beschränkten sich Imager darauf, lediglich den Höhen- oder Mittenanteil zu beeinflussen oder sie führen das psychoakustische Erweitern des Stereobildes nur  breitbandig durch. Die neue Generation ist mittlerweile vielseitiger. Ozone gehört dazu und ist entsprechend 4 Schritte weiter; es besitzt genausoviele einzelne Bänder. Mehr sind eigentlich auch gar nicht nötig, um die virtuelle Räumlichkeit eines Mixes nachträglich zu verfeinern. Wie es sich gehört, kann man die Breite des Raumes nicht nur vergrößern, sondern ein Panorama lässt sich auch komplett zu einem Mono-Signal zusammenfalten. Dies macht Sinn, wenn der Bassbereich zu ’schwammig‘ geraten ist oder die Aufnahme später mal auf einem Vinyl landen soll.

ein etwas zu (stereo-)breiter Bass wird per Automation ‚zentriert‘

 ab ca. der Hälfte verringert sich die Stereo-Breite automatisiert

Die wichtigsten Parameter, um das vorliegende Material auf seine räumliche Bestandteile untersuchen zu können, sieht man im Goniometer. Befindet sich der Ausschlag in der Anzeige Correlation oberhalb der Mittellinie und unterhalb +1 liegt ein Stereosignal vor, welches bei Umschaltung auf Mono nur geringe klangliche Verluste erfährt. Anders ausgedrückt, es liegt eine gesunde Mischung aus mittig positioniertem und außenliegendem Tonmaterial vor. Je weiter sich der Zeiger nach +1 hin bewegt, umso geringer sind die Seitenbandanteile => weniger Differenzen zwischen beiden Kanälen sind vorhanden (Mono). Nähert sich der Zeiger der Mittellinie, heißt dies, es wird schon sehr ‚experimentell‘.

sehr dekorreliertes Signal – klingt dann oft auch ‚vermulmt‘

Direkt auf Mittellinie stehen beide Kanäle absolut gegenphasig zueinander – keine gemeinsamen Signale mehr oder ein Kanal ist tot. Unterhalb der Mittellinie liegt ebenfalls ein Signal vor, welches aber beim Zusammenführen beider Kanäle in extremen Auslöschungen endet. Man hört vor allem nur noch die Seitenbandanteile des Mixes.

Gemisch aus gegenphasigen Signalen oder 1 Kanal fehlt

die gleiche Aufnahme – einmal Stereo

einmal Mono

 

Sollten die Ausschläge sich nun im Bereich unter oder ständig nur um die Mittellinie befinden, muss man zuallererst herausfinden, wo die Fehlerquelle im Frequenzband auftritt, die vermuteten Instrumente einkreisen und diese mit dem Produzenten zusammen noch einmal einzeln kontrollieren. Wenn dies nicht möglich ist, da der Mixdown nur one-shot aufgenommen werden konnte, bleibt zu versuchen das Beste daraus zu machen, indem man der Phasenverschiebung des entsprechenden Bandes entgegenwirkt.

Dazu setzt man Ozone folgendermaßen ein. Man wählt das Modul Multiband Stereo Imaging an, stellt im oberen Teil die Breite der zu bearbeitenden Bänder ein, indem man die senkrechten grünen Linien nach rechts/links verschiebt. Der Cursor schaltet dabei in horizontale Pfeile um. Wir nehmen als Beispiel ein Signal, bei dem ein ‚toller‘ Stereoeffekt vorliegt, im Monomix aber durch Auslöschungen ein gut wahrnehmbarer Teil des Basses verschwindet (ca. 5-6dB).

Bass-Aufnahme Stereo

Bass-Aufnahme Mono

Im entsprechenden Band, in diesem Fall im untersten von 20-180Hz, wird der Parameter Widening soweit abgesenkt, bis die Correlation-Anzeige wieder im Bereich vor +1 liegt. Gut hörbar; durch den Ausgleich fehlen natürlich einige Bassanteile. Durch das Anpassen wurden diese ja nicht wieder zum perfekten Stereo, was sie vor dem ‚verhunzten‘ Mixdown vielleicht waren, sondern sie wurden gewissermaßen gewaltsam durch negatives Widening (zusammenziehen) addiert. Im vorliegenden Fall bleibt natürlich ein niedrigerer Basspegel unter dem Strich übrig, welcher aber letztendlich monokompatibel(er) und ausgeglichener positioniert ist. Diesen Bass können wir nun mithilfe des EQs problemlos dem restlichen Spektrum angleichen.

Korrektur des ausgelöschten Bass-Anteils mittels EQ

die ausgeglichene Aufnahme

 

Bei den höheren Bändern ist diese ‚kosmetische‘ Operation leider nicht so einfach möglich und sinnvoll, da aufgrund der zwangsläufigen Auslöschungen beim Zusammendrücken der Stereobreite räumliche Anteile fehlen würden, die für das Lokalisieren tiefer Frequenzen eher nebensächlich sind. Dort versucht man in Abhängigkeit zur entsprechenden Musikrichtung sogar eine gewisse Klarheit fundamental aufzubauen, indem bestimmte – vor allem tieffrequente – Instrumente und Signale starr mittig ins Panorama gesetzt werden. Da Instrumente im höheren Bandbereich traditionell begründet schon immer von links außen bis rechts außen verteilt wurden, bleibt Aufnahmen mit entsprechend hohem Grad an Dekorrelation sinnvollerweise eine Korrektur wie oben eher vorenthalten. Außer, man benötigt am Ende wirklich nur eine Monoaufnahme.

Von der Korrektur zum zusätzlichen Feintuning.

Liegt ein Mixdown vor, welcher eine gesunde Korrelation beider Kanäle aufweist und der vielleicht nur noch ein wenig zu ‚trocken‘ und mittig rüberkommt, kann man ohne weiteres die Stereobreite psychoakustisch erweitern. Während des Vorganges sollte man immer wieder zwischendurch mit amtlichen Aufnahmen vergleichen, ob die eigenen Einstellungen wirklich sinnvoll klingen und im Auge (und Ohr) behalten, dass ein natürlicher Raumklang auf Dauer als weitaus angenehmer empfunden wird – die Dosis macht das Gift. Sollte die zusätzliche Erweiterung des Panoramas bereits als auffällige Pegeländerung wahrgenommen werden, ist dies ein Grund – auch wenn es dann vielleicht nicht mehr so ‚majestätisch‘ breit wie ein Canyon klingt – die Werte etwas zu drosseln.

Hintergrund; nicht immer wird eine Aufnahme in idealer Position abgehört, wo diese Breite auch tatsächlich durch das Soundsystem optimal wiedergegeben werden kann. Bei ungünstigen Verhältnissen wirkt eine von Hause aus zu hohe Stereoverbreiterung eher ‚matschig‘ oder überfüllt. Desweiteren kommen spätesten bei Rundfunkübertragungen oder im Autoradio die nächsten Akustikprozessoren zum Einsatz. Dies kann wirklich übel nach leerem Blecheimer klingen, da die (vor allem mittigen, um den Sprachbereich liegenden) Stereoseitenbandanteile wiederum unabhängig vom zentralen Signal heftig angehoben werden.

Wir verwenden hier als Beispiel einen Mix, welcher eigentlich schon eine gute Aufteilung des Panoramas vorweisen kann, wo aber noch ein wenig mehr ‚Raum‘ zum Genre und Stil der Musik passt. Damit der Unterschied deutlich ist, wird der Imager per Automation innerhalb der Hörprobe (in etwa nach der Hälfte) zugeschaltet.

 

Die Stereo-Breite wird automatisiert zugeschaltet

 

Das Band für den Bass wurde etwas abgesenkt, beide Mittenbereiche und das Höhenband leicht angehoben. Während des Einstellens der Parameter sollte unbedingt Gebrauch von den Solo- und Bypass-Schaltern (oben in der Frequenzganganzeige) gemacht werden. Dies hilft ein gutes Maß zwischen zu wenig und way too much zu finden.

vertretbare, unaufdringliche Erweiterung der Stereo-Breite

Da der Einsatz des Imagers auch zwangsläufig eine Klangänderung bedeutet, sollte im A/B-Vergleich auch darauf geachtet werden, wie stark diese ist, ob sie sich störend oder vielleicht sogar ausgesprochen förderlich darstellt. Im erstgenannten Fall lässt sich dies mit einem Peak-EQ wieder dezent angleichen, der betreffende Bandbereich ist günstigerweise im Imager in seinen genauen Grenzen zu sehen (Frequenzband-Darstellung im oberen Bereich des Plugins).

Abschließend wäre noch ein wichtiger Punkt zu nennen. Nämlich, dass die Einbindung des Imagers unbedingt vor Monitoren durchgeführt werden sollte. Leider wird dieser Schritt sehr oft unter Kopfhörern vollzogen, was aber aus physikalischen Gründen nicht wirklich Sinn macht (zu den Stichworten Lokalisation, Laufzeit- und Pegeldifferenz bei akustischen Signalen @ Google nachlesen). Das Ergebnis ist, dass eine Anhebung der Lautheit, des oberen Spektrums oder des Gesamtpegels als das vermeintliche Ergebnis der Verbreiterung interpretiert wird. Auf Monitoren ist dieser subjektive Trugschluss schnell nachweisbar. Was unter Kopfhörern noch ’schön räumlich‘ wirkte, klingt im realen Raum einfach nur noch extrem hohl, unnatürlich hallig oder sogar höhenlastig. Jegliche Aufnahmen werden vorwiegend über Lautsprechersysteme konsumiert, also sollte das letzte Abhören auch unbedingt auf dieser technischen Einrichtung vorgenommen werden.