Störfrequenzen

Was sind eigentlich Störfrequenzen?

Was immer sich im Mix befindet, hörbar ist und dort nicht zum Klanggenuss beitragen wird, kann man allgemein als störend bezeichnen. Dabei handelt es sich ausschließlich um akustische Ereignisse, die im Bereich der menschlichen Wahrnehmung liegen. Nun gibt es aber auch Frequenzen, die wir nicht mehr als primär wichtig oder überhaupt mit unseren Sinnen erfassen können. Deren Eleminierung hat letztendlich nur eine technische Relevanz.

Bei den erstgenannten spektralen Anteilen im Mix handelt es sich vor allem um das Grundrauschen, welches durch die Hardware (z.B. sämtliche analoge Verstärkerschaltungen, AD/DA-Wandler) verursacht wird, das 50Hz-Brummen (je nach internationalem Standort auch 60Hz) mit all seinen Oberwellen, Knackser (impulsförmige, energiereiche Spannungsspitzen durch z.B. induktive Einstreuung in die Niederfrequenz-Hardware), Drop-Outs (kurze Aussetzer z.B. beim fehlerhaften Rendern), Knistern (z.B. mechanisch bedingte ‚Micropausen‘ bei der Abtastung physischer Tonträger) und nichtlineare Verzerrungen, umgangssprachlich meist einfach als Verzerrung bezeichnet.

Die Frequenzen, welche das ästhetische Klangbild nicht direkt beeinflussen, liegen oberhalb und unterhalb der Hörgrenze. Da sie aber technisch nachweisbar vorhanden sind, nehmen sie natürlich auch ‚Platz‘ im Mix ein, welcher aufgrund der maximal verfügbaren Bits den Nutzfrequenzen folglich fehlt. Warum 10Hz digitalisieren, wenn man diese Frequenz nicht hören kann? Also wird am oberen und unteren Ende des für Menschen hörbaren Frequenzbandes je ein Filter angebracht, welches diese Anteile eliminiert. Je nach Steilheit des Filters sieht dies folgendermaßen aus:

Hoch- und Tiefpass

entkoppeltes Rausch-Signal nach den Filtern

Dabei sollte beachtet werden, dass der Qualitätsfaktor der Filter zwar für ein ’scharfes‘ Abschneiden der unerwünschten Seitenbänder sorgen kann, dadurch aber eine Verfärbung des Klanges, sprich Anhebung der direkt benachbarten Frequenzen zwangsläufig erfolgt. Leicht nachweisbar, wenn ein Signal mit z.B. -3dB die entsprechende Filteranordnung passiert und das Signal am Ausgang trotz Absenkung mittels Filter plötzlich bei -2.6dB liegt. Es ist also von Vorteil, eine moderate Steilheit zu wählen und die Veränderung des Pegels auch mit optischen Mitteln zu kontrollieren. Man erhält somit ein annähernd bereinigtes Spektrum und hat wertvolle Ressourcen für das hörbare Signal gewonnen. Auf das Entfernen von Rauschen, Brummen, Knacksern etc. gehen wir in separaten Kapiteln ein.

Ein Spezialfall, da man hier aufgrund der physikalischen Eigenschaften des Störers eigentlich nicht mehr von Frequenz sprechen kann, ist ‚eingeschleppte‘ Gleichspannung – auch bezeichnet als DC-Offset, Direct Current, in dem Fall aufgesetzte Gleichspannung. Diese kann auf vielfältige Weise in den Mix gelangen. Zum Beispiel über diskrete Klangerzeuger (Synthesizer), welche bauteilbedingt in ihren elektronischen Komponenten Alterungserscheinungen aufweisen (Elektrolytkondensatoren). Diese kann man zwar gut über entsprechende Maßnahmen, wie separate Mischpulte/Router, entkoppeln. Weiß man aber über dieses Problem nicht Bescheid, landet die Aufnahme vorerst mit Gleichspannungsanteil in der DAW.
Das kann so aussehen:

Mittels einfacher VSTs lässt sich diese unerwünschte Verschiebung des Nutzsignals um die Nullinie der Schwingungsebene korrigieren. Es gibt auch jede Menge Freeware-Plugins, die diese Aufgabe erfüllen, wir verwenden X-Hum von WAVES. Dort gibt es die Möglichkeit, entweder gleich auf das entsprechende Preset zur Abtrennung des Gleichspannungsanteils zurückzugreifen oder die Parameter dem Audiomaterial selbst spezifischer anzupassen.

vorher                                         nachher

WICHTIG:
Man sollte sich unbedingt beim Einsatz eines solchen Plugins zum Entfernen der DC auf dem Analyzer anschauen, wie es mit sehr tiefen Frequenzen umgehen kann. Diese gehören schließlich noch zum Nutzsignal, wirken aber aufgrund ihrer Natur auf elektronische Bauteile teils wie Gleichspannung. Damit diese Frequenzen nicht aus Versehen zu stark gedämpft werden, nicht einfach das Plugin zuschalten und auf blindes Vertrauen setzen. Mehrere Tief- und Tiefstfrequenzen einspeisen, nachmessen, mit dem Ohr und dem Subwoofer kontrollieren.

Bis dahin war das ‚Putzen‘ eine einfache Sache. Schwieriger wird es nun, wenn es um hörbare Frequenzen geht, die mitten im Nutzsignal liegen, ja, eigentlich auch tatsächlich Teil desselben sind, nur stellenweise in ungesunder Dosierung.

Hier kommen wir zur eigentlichen Königsdisziplin des Masterns, der Kirsche auf dem Kuchen.

Wer legt fest, was gut klingt? Woran erkenne ich, dass meine Einstellung optimal für das endgültige Ergebnis ist? Was sind gängige Praxen? Welche Geräte nutze ich zum chirurgischen Eingreifen in das Audiomaterial? Was für Messgeräte sind nicht nur sinnvoll, sondern unumgänglich?

Die Liste der Fragen könnte noch eine Weile weitergeführt werden. Aber, weder können wir hier ein vollständiges Geheimrezept  anbieten, noch sind unsere ‚Tipps‘ DER Weg, der für den jeweiligen Fall die universelle Lösung darstellt. Wir werden anhand konkreter Beispiele einige Techniken im Detail auflisten, die der Nachvollziehbarkeit halber entsprechend etwas ‚vereinfacht‘ wurden – im Sinne ‚praktischer Tipps‚ eben.

Um etwas als störend zu empfinden, muss das Gehör in der Lage sein, selektiv und nach ästhetischen Maßstäben Informationen aus dem Mix herauszufiltern, zu analysieren, zu vergleichen und nach der Korrektur wieder ‚auf Null‘ zu stellen. Dies ist eine Frage der gesunden Wahrnehmung und vieler Stunden Übung, try & fail… Irgendwann sollte ein kurzes Einhören in das vorliegende Material ausreichen, um beurteilen zu können, ob es sich lohnt, das Material zu mastern oder einzelne Dinge komplett neu aufzunehmen/abzumischen. Dazu gehören auffällig laute einzelne Frequenzen und Bänder, die anhaltend oder kurzzeitig unangenehm in den Vordergrund treten. Nicht in der Art, nur ‚auffällig‘ zu sein, sondern übertrieben, unpassend – unästhetisch eben.

Aufnahme mit schmalbandig überbetonten Mitten

Gut wahrnehmbar, ab der Hälfte verschwindet der ‚Blechdosen-Effekt‘, die Mitten wurden im betreffenden Band bei 1,5kHz (per Automatisierung) um etliche dB gesenkt. Je nach Stärke des Eingriffs sollte entsprechend der Gesamtpegel wieder nachgeregelt werden.

Wenn es um den Bassbereich geht, wird oft der Begriff der ‚Dröhnfrequenzen‚ bemüht. Dies bezeichnet zum Beispiel einzelne Frequenzen, die im Vergleich zu umliegenden Tönen auf der Pegelanzeige bzw. auf dem Analyzer Eskapaden himmelwärts ausführen oder auch ganze Bereiche im unteren Tonumfang, die ständig Gegenstände der liebevollen Wohneinrichtung in Resonanz versetzen – stärker als bei einer subjektiv gleichlauten, aber spektral ausgeglicheneren Aufnahme. Beispiel; hier lässt sich ein durchschnittlicher Wert von -17dB (blau) bei den umgebenden Basstönen messen, der ‚Ausreißer‘ (grün) liegt bei ca. -9dB. *

* Die Schnappschüsse beider Kurven wurden nacheinander angefertigt!

Im ersten Fall bietet sich an, den Mix noch einmal zu überarbeiten und dort ein sehr schmales Filter mit genau der Cutoff auf dem Bass zu verwenden, die der ‚Dröhnfrequenz‚ entspricht. Eigentlich genau dasselbe wird getan, wenn der Mix nicht noch einmal aufgenommen werden kann. Lediglich ist hier zu bedenken, ob man für diese Korrektur einen feststehenden Filter verwenden kann oder einen automatisierten. Dies hängt einfach davon ab, ob im Verlauf des Mixes andere Instrumente auftauchen, die den selben Platz im Spektrum einnehmen wie der Bass. Ist dies der Fall, sollte unbedingt mit Automation gearbeitet werden! Tut man dies nicht, schneidet man auch aus dem – aller Wahrscheinlichkeit nach ohne ‚Dröhnton‘ aufgezeichneten Nachbarinstrument – dennoch dieses schmale Band heraus, obwohl dies keiner Korrektur bedurfte. Der Mix erleidet einen unnötigen Kollateralschaden. Dies muss nicht in jedem Fall wahrnehmbar ins Gewicht fallen. Sollte aber gerade an dieser Stelle, wo der Eingriff in das Spektrum schmalbandig stattfand, an zeitlich fortgeschrittenerem Punkt eine Betonung eines Instrumentes erfolgen, fehlt diese plötzlich. Man kann sich gut vorstellen was geschieht, wenn mehrere ‚Dröhnfrequenzen‚ auf diese Weise permanent eliminiert würden…

Typische Folgen im Mix sind dann beispielsweise; die Basedrum wird ‚dünner‘ am Bauch, der Körper der tiefen Streicher wird zu platt, der Mix klingt zu steril, seelenlos, die ‚Wärme‘ fehlt – womit hier oftmals nur (subjektiv) gemeint ist, der Bereich obere Mitten+Höhen ist zu dominant.

Es ist arbeitsaufwändiger, es ist mehr Zeit in das Setzen der Kontrollpunkte zu investieren, es bedeutet, technisch über mehr als nur die Fader den Überblick zu behalten. Aber es lohnt sich in jedem Fall, die tiefergehende schmalbandige Korrektur zeitlich beschränkt nur dort auszuführen, wo das störende Element auch tatsächlich vorhanden ist.

die Automatisierung

das dazugehörige EQ-Band

Die selben Regeln gelten natürlich für Frequenzen des gesamten hörbaren Spektrums. Es ist sogar in der Praxis viel häufiger so, dass nicht der Bass-, sondern der Mittentonbereich von einzelnen oder gruppenweisen Events unangenehm ‚überschwemmt‘ wird. Dort ist das Sortieren der einzelnen Instrumente zum Erhalten oder Verbessern eines transparenteren Klangbildes häufig ein ‚Knochenjob‘.

ein noch moderates Wimmelbild…

Hauptziel soll es ja sein, ein möglichst gleich lautes Signal – im Sinne der objektiven Wahrnehmung – über das gesamten Spektrum zu erhalten. Viele Instrumente nehmen aber gleiche und sehr nahe Bereiche im Band ein. Dies sollte schon beim Mixing beachtet werden, indem Signalquellen gleicher Art räumlich voneinander getrennt im Stereobild untergebracht werden. Ist der Mix nicht wiederholbar, ist zwangsläufig selbst mit bestem Mastering mit einer gewissen Überdeckung – auch ‚Vermatschung‘ genannt – zu rechnen. Ein EQ kann Klänge nicht nach dem Instrumentennamen unterscheiden, sondern nur Signalgemische bezüglich der Parameter Pegel, Frequenz und Bandbreite modifizieren. Die größte Sorgfalt dies zu ermöglichen muss während des Mixings einfließen; sind Signale gleicher Art bereits nur ein wenig räumlich voneinander getrennt, bietet sich eher die Möglichkeit, diese wenigstens in gewissen Grenzen separat zu bearbeiten.

Wie identifiziere ich die lauten Übeltäter?

Im einfachsten Fall sind sie sehr deutlich auf dem Analyzer zu sehen. Wenn es sich um dauerhafte Signale wie z.B. Streicher handelt, zeigt sich ein auffälliger flächiger oder schmaler Ausschlag im positiven Bereich über dem Durchschnitt. Mit einer entsprechend trägen Anzeige lässt sich dies gut darstellen. Beim Analyzer SPAN von Voxengo kann man den Schalter Max in der Sektion Monitor wählen. Hier wird durch ‚Stapeln‘ der Höchstwerte der Frequenzanteile sichtbar, über welchen Abschnitt des Spektrums sich die meiste Energie zeitlich verteilt.

Aufnahme mit zu lauten Streichern


Bei impulsförmigen Signalen wie FX oder Drums kann alternativ auch die Abtastrate des Messgerätes zur besseren Darstellung erhöht werden.

Die Spitzen lassen einfach nachvollziehen, um welche Frequenz(en) und welchen Pegelwert es sich handelt, der vom Durchschnitt abweicht. Natürlich kann ein auffälliger Klang gerade im Bereich Elektronische Musik gewollt sein. Dann ist es notwendig, sich mit dem Produzenten/Autor darüber auszutauschen, um nicht fälschlicherweise in die künstlerische Intension einzugreifen. Dies sollte trotzdem unter der Überlegung erfolgen, dass selbst ein ‚Kunstgriff‘ innerhalb gewisser technischer Parameter liegen muss – vorgegeben durch das finale Medium für die Aufzeichnung.Bei diesem VST, dem SPAN von Voxengo (Freeware!), lassen sich Frequenz und Pegel einfach dadurch ermitteln, dass der Mousezeiger genau über dem zu identifizierenden Signal positioniert wird. Rechts oben erscheinen die entsprechenden Parameter.


Nun kann man sich entweder die Störfrequenzen ‚altmodisch‘ mit Wert und Positionskoordinaten im Material notieren, sich Marker in der Spur setzen und/oder zumindest für diese Frequenzen vorerst einen EQ anlegen, inklusive nach Erfahrung grob geschätzter Filtergüte (Q).
einzelnes Band im Q10 

Dies sind die einfachsten Schritte, um auffällige Signale recht zuverlässig zu ermitteln, um sie später in die Bearbeitung aufnehmen zu können. Wenn es sich jedoch um ein sehr kompaktes Signal handelt und der klangliche Ausreißer nicht klar mit optischen Mitteln einzugrenzen ist, kommt wieder vornehmlich das Ohr als zuverlässigstes ‚Tool‘ ins Spiel. Mittels eines Vorganges, welcher als ‚Sweepen‚ oder ‚Sweeping‘ bezeichnet wird, was man sinngemäß mit ‚Vorbeistreichen‘ übersetzen kann, lässt sich mit viel Übung der Mix um einiges verbessern.

Auch wenn dieser Hinweis schon gebracht wurde, das Mastering ist nicht dafür gedacht, einen miesen Mix zu einem sensationellen Diamanten aufzupolieren. Vielmehr sollten die Weichen klanglich bereits vorher gestellt worden sein. Lediglich Pegel, Dichte und Feinschliff am Spektrum sollten vordergründig Thema des Masterns sein – normalerweise. Dass je nach technischer Ausstattung, Fähigkeiten und Erfahrung des Produzenten oder Mischers die Audiodatei von Top! bis besch….eiden eingestuft werden muss, ist Realität. Insofern wird es natürlich unter guten Mixdowns auch einige geben, die statt eines Feintunings ein komplettes Makeover erhalten müssen.

Das dazu, was Mastering sein kann/sollte, aber leider oft ist oder was der Produzent fälschlicherweise vom Tonmeister erwartet.

Und hier endet es dann oft…   

Zum praktischen Teil

Anhand einiger Beispiele möchten wir die oben genannten Möglichkeiten zum Aufräumen des vorliegenden, ’nicht ganz perfekten‘ Mixdowns in Bild und Ton einmal darlegen.

Einzelne Dröhnfrequenz im Bassbereich

Beim vorliegenden Material hat genau eine Note einen auffällig hohen Pegel. Dies ist künstlerisch weder so gewollt, noch klingt es auf linearen Monitoren, HiFi-Boxen oder unter Kopfhörern angenehm.

Dröhnfrequenz im Bassbereich
Die Frequenz wird mithilfe des Analyzers SPAN bei 73 Hz festgestellt und der Pegelunterschied zu benachbarten Noten liegt bei ca. 5-7 dB.

Wir verwenden, um diesen Ausreißer zu bändigen, den Q10 von WAVES. Gebraucht wird hier natürlich nur ein Band des VSTs. Üblicherweise benötigt man jedoch 1-3 komplette Instanzen dieses Plugins pro Mix, wenn man sehr ins Detail geht und dieser vom Musiker/Produzenten in Wohn- oder Hobbyraum abgemischt wurde.

Als Filtertyp wird ein Peak- /Band- /Bellfilter verwendet – alles Synonyme für das selbe technische Element. Dessen parametrische Funktion stellt sich als typische Glockenform (positiv oder negativ ausgeprägt) dar. Woher der Name stammt, ist also nachvollziehbar. Die Mittenfrequenz des Filters wird auf die ermittelten 73Hz eingestellt, die Güte Q – als Zeichen der Flankensteilheit desselben – wählen wir mit 35. Nun wird beim Parameter Gain ein negativer Wert eingestellt, welcher bewirkt, dass der Pegel dieser Frequenz um genau diesen Wert gedämpft wird. Dies vorerst in der Höhe, die wir gerade als Differenz des Ausreißers zu seinen ‚braven‘ Nachbarn festgestellt haben. Der endgültige Wert wird nach Gehör angepasst.

 

Nun sollte nach all der Mathematik und der Inanspruchnahme von Messmitteln das Ohr wieder zum Einsatz kommen. Es empfiehlt sich, eine kurze Schleife laufen zu lassen, welche den Ausreißer und seine Nachbarn im Wechselspiel zeigt. Möglichst, ohne dass dabei andere Spektren besonders vordergründig im Einsatz sind.

der korrigierte Bass

Nun kann auf verschiedenen Soundsystemen die Wirkung des Filters kontrolliert werden.

Wir haben hier genau den Wert (nur mit negativem Vorzeichen) für Gain verwendet, welcher sich als Differenz [Ausreißer minus Nachbarn] ermitteln ließ. Da wir aber nicht nur auf Anzeigen vertrauen wollen, sollte man überprüfen, ob diese eine Frequenz nicht vielleicht zu stark oder zu niedrig gedämpft wurde. Das Ohr bleibt hier wie immer die letzte Instanz. Sollten durch den Einsatz dieses recht steilen Filters die benachbarten Regionen ihrerseits zu stark verfärbt worden sein (im Pegel angehoben oder abgesenkt), so kann man hier mit Q und Gain experimentell einen Kompromisswert finden:

Nur so stark dämpfen, dass der Ausreißer vielleicht noch etwas ‚individuell‘ im Pegel ist, aber in jedem Fall nicht mehr unangenehm/störend. Somit werden die benachbarten Frequenzen weniger beeinträchtigt.

Als abschließendes Kriterium für die Korrektur gilt, wie klingt das Ergebnis im Solofall bzw. mit wenig Pegeln aus dem restlichen Spektrum, wie klingt es mit ‚vollem Orchester‘. Sollte sich hier – wie oben angesprochen – zeigen, dass andere Instrumente, welche im selben Spektrum zuhause sind, unter diesem Eingriff wahrnehmbar leiden, so ist unbedingt zu versuchen, eine Automation für den Parameter Gain des besagten Filters anzulegen.

Im Reaper sieht das zum Beispiel so aus:

Hier erfolgt der Einsatz des Filters nach Bedarf; die Dämpfung wird kurzzeitig aufrecht erhalten, beim Wechsel der Tonhöhe des Basses geht diese auf 0 zurück. Dies wiederholt sich so oft, wie der Ausreißer im Mix auftaucht. Sollte eine starke Dämpfung bei extremen Ausreißern nötig sein und eine Neuaufnahme des Mixdowns ist nicht diskutabel, so kann man schon einige Sekunden vorher beginnen, die Gain sanft herunterzufahren, bevor der Zeitpunkt zum ‚tiefen Schnitt‘ gekommen ist. Damit wird das Ohr fließend und dezent auf eine mögliche hörbare, kompromissbehaftete Korrektur eingestimmt. Dem ungeübten und vor allem an natürliche Klangverläufe gewöhnten Ohr entgeht diese eigentlich drastische Veränderung in den meisten Fällen.

‚Sanfter‘ EQ-Eingriff

Breitbandige Korrektur im Mittenbereich

Die vorwiegende Anzahl der Instrumente, welche ein ähnliches Spektrum mit ihren jeweiligen Grundtönen belegen, liegt im Mix meistens zwischen ungefähr 500 und 8kHz. Dieses Band umschließt in etwa den zentralen Bereich, welcher für unser Hören und unsere Sprache/Sprachverständlichkeit am wichtigsten ist. Dieser Abschnitt, jener akustische Primärbereich der menschlichen Stimme, welcher auch über größere Kommunikations-Distanzen noch klar wahrgenommen wird, liegt bei etwa 2-4kHz. Weil das menschliche Ohr also gerade für diese Frequenzen besonders empfänglich ist, genügen innerhalb dessen kleine breitbandige Anhebungen bzw. Dämpfungen, um das Gesamtbild eines Mixes auffällig zu ändern.

Befindet sich zuviel Energie in diesem Bereich, klingt es schrill, ‚plärrend‘. Liegt die meiste Energie unterhalb dieses Bereiches, nehmen wir den Mix subjektiv als dumpf, unvital wahr. Somit muss vor allem in diesem mittleren Bereich darauf geachtet werden, wenn alle vorgesehenen Instrumente zu hören sein sollen, ohne dass eine Art Übersättigung an Mitten oder höheren Mittenanteilen stattfindet, dass jedes einzelne derer nur einen ungefähr gleich großen Teil des Pegels erhalten darf. Betonungen sind meist nur temporärer Natur und werden der Zahl der eingebrachten Instrumente über der Zeitachse ständig neu angepasst. Anderenfalls kommt es zu unerwünschten Überdeckungen, zu einem vermatschten Klangbrei.

Wenn ein Mix vorliegt, der nicht wieder neu erstellt werden kann, ist es meist schwierig bis unmöglich, wenn die Positionen der gleich- und ähnlichklingenden Instrumente identisch sind, dieses Gemisch in ‚Wohlklang‘ umzuwandeln. So muss man dann entweder den klanglichen Kompromiss akzeptieren oder entscheiden die Veröffentlichung auszusetzen. Da Produzenten im Amateur- und Homerecordingsegment ihren Mix sicher schon so gut wie möglich optimiert haben, wird es klanglich natürlich gerade in diesen typischen und mittlerweile recht überlaufenen Musikrichtungen eher kompromissbehaftete Veröffentlichungen geben.

Wenn es auch nicht wirklich für die Sache und das Erhalten möglichst hoher Klangästhetik spricht, es ist dennoch Realität, dass eine Vielzahl an Veröffentlichungen den Hörgewohnheiten des MP3-Users (zum Großteil im Bezug auf portable Wiedergabegeräte mit Kopfhörern/In-Ear-Wandlern) ‚klanglich‘ angepasst wird. Dies betrifft eben vornehmlich den Mitten- und höheren Bassbereich. Hier wird leider geboostet, was der Maximizer hergibt…

Wir wollen hier anhand eines Beispiels den etwas unangenehmen Klang im höheren Mittenbereich verbessern. Damit der Mix natürlich bleibt, wird hier zwar mit mehreren schmalen, aber dafür ‚flachen‘ Filtern korrigiert.

Zuerst wird wieder der Bereich eingegrenzt, in dem sich der Missklang verbirgt. Der SPAN zeigt diesen mit einem erhöhten Wert, einem ‚Buckel‘ in der Kurve an.

 

überhöhter Mittenbereich

Nun sollte man sicher keinen Filter niedriger Güte über den gesamten Bereich legen, denn es stechen nur einige Frequenzbereiche und diese eben nur zeitweise unangenehm hervor. Deshalb ist auch hier wieder die Automatisierung mehrerer EQ-Bänder das bevorzugte Mittel.

das Automatisieren der Filter über der Kurve des Tracks

die 2 automatisierten Bänder

Die Korrektur setzt wieder – zur besseren Hörbarkeit – bei ca. der Hälfte ein.

die korrigierte Aufnahme

Im umgekehrten Fall handelt es sich um eine Aufnahme, die im Mittenbereich – im Vergleich zum restlichen Spektrum – etwas schwach auf der Brust ist. Dies lässt sich auf dem SPAN recht gut an der sattelförmigen Energieverteilung erkennen.

mittenarme Aufnahme

Nun kann man entweder den gesamten Mittenbereich mithilfe eines einzelnen breiten Bandpasses oder durch Einsatz mehrerer Filter, die sich den Bereich teilen, verstärken. Welche der Variante man wählt, hängt davon ab, wie sich zum Beispiel der Klang des Mixes über der Zeitachse ändert, ob später nur schmalbandigere Korrekturen notwendig sind oder ob man sich einfach mehr Flexibilität für den Fall des Falles in den einzelnen Bändern einräumen möchte. Für unser Beipiel verwenden wir nur einen Filter mit Q=2.5 und heben Gain bei 2.5kHz um 4,4dB an.

die korrigierte Aufnahme

Liegt eine Aufnahme vor, deren Dynamik im Mixdown schon recht vermindert wurde und deren Mittenspektrum Ausreißer enthält, welche aber nicht mehr wirklich gut sicht-, jedoch hörbar sind, so hilft oft das ‚Sweepen‚ des gesamten Bandes weiter. In Grenzen, muss dazu gesagt werden. Denn die Entscheidung, ob dieser Mix wirklich noch verwendbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Unser Beispiel bewegt sich noch in normalen Grenzen, enthält aber im oberen Mittenbereich eine unschöne permanente Resonanz. Wo diese genau liegt, gilt es durch Sweepen herauszufinden.

mögliche Überbetonungen

 

   Aufnahme mit Überbetonung im höheren Mittenbereich

Wir verwenden wieder einen Kanal des Q10, stellen hier eine hohe Verstärkung des Eingangssignales mit einem Gain von 18dB+ ein, wählen eine Güte Q=20, welches einem recht steilflankigen Filter entspricht. Wir versetzen den Filter sozusagen bis kurz vor die Selbstoszillation. In Abhängigkeit von der ‚passenden‘ zugeführten Energie neigt der Filter dazu, sich wie ein Tongenerator zu verhalten. Erreichen wir beim Verstimmen der Cutoff (Bandmitte) des Filters eine Frequenz, bei der das normale, leichte Mitschwingen fast in ein deutlich durchgehendes Signal übergeht, haben wir eine potentielle Störquelle gefunden. Hier zählt wieder, statt nur nach den optischen Messmitteln zu urteilen, lieber auf das Ohr vertrauen. Sind in dem Klanggemisch perkussive Instrumente enthalten, können deren Impulse den Filter natürlich noch effektiver zum Durchschwingen anregen als ein niedrigeres, kontinuierliches Signal. Unbedingt darauf achten, ob es sich bei dem Störkandidaten um breitbandige, energiereiche Impulse oder tatsächlich um das zu korrigierende Band handelt. Hier hilft nur ein konzentriertes selektives Hören weiter.

Das Sweepen der Aufnahme

Und so klingt’s:

Hat man die entsprechende Frequenz bzw. das schmale Band gefunden, welches bislang im Mix hervorstach, kann man nun durch abwechselndes Angleichen der Werte Q und Gain das Optimum herausarbeiten – den bestmöglichen, gleichmäßigen Klang. Empfehlenswert sind in der Regel flacherere, natürlichere Filterkurven.

abwechselndes An- und Ausschalten  des Korrektur-EQs

Sollte man das Sweepen für mehrere Frequenzen/Bänder durchführen, ist es mehr als angebracht, zwischendurch Hörpausen einzulegen, bzw. das Ohr durch Hören von sehr breitbandiger, angenehm im Pegel eingestellter Musik zu ’neutralisieren‘. Aufgrund der Fähigkeit unseres Ohres, sich selbst extremen Schallsituationen auf Kosten einer objektiven Wahrnehmung anzupassen, führt das Sweepen schnell zu einem Gewöhnungsphänomen. Dieses lässt uns nach wenigen Minuten – manchmal schon nach Sekunden – in Abhängigkeit vom Schallpegel ein Signal leiser wahrnehmen, als dies tatsächlich ist. Wir blenden dadurch manche Klanganteile mehr, andere weniger aus.

Diese vorübergehende Hörermüdung tritt definitiv bei jedem Menschen ein. Daher muss man sich dessen bewusst sein!

Eine Korrektur kann, entsprechend der Qualität des Mixdowns, nach wenigen Minuten abgeschlossen sein. Sie kann aber auch, vor allem bei komplexen Instrumentierungen, viele Stunden dauern. Letztendlich bleibt es den Ohren des Tontechnikers überlassen einzuschätzen, ob das Ergebnis zufriedenstellend ist oder, ob der Mix neu angelegt werden muss. Auch gibt es die Variante, dass ein Kompromiss zwischen Machbarkeit und kommerziellem Nutzen geschlossen wird. Dies geht natürlich zu Lasten der Qualität, hängt aber letztendlich vom eigentlichen Verwendungszweck der Produktion/der finalen Aufnahme ab, an welchem Punkt sich Nutzen und Ästhetik begegnen.